Ein heller Moment

nach Meindert Hobbema, "Eingang zum Wald", Holland, 17. Jahrhundert

Auf dem Bild ist alles drauf: Ein Stück Landschaft, halb Wald mit kleinem Gewässer, Düne, gebrochener Baum, am Horizont eine Stadt. Drei Menschen sind unterwegs: Ein Paar im Wald geht von der mittigen Lichtung nach links, tiefer in den Wald, ein einsamer Wanderer kommt aus der Ebene und wendet sich nach rechts. Darüber wölbt sich ein weiter Himmel mit gewaltigen Wolkenbergen, links oben erste Anzeichen eines kommenden Unwetters.
Ich sah das Bild und schloss es ins Herz: das Ideale daran und den Kern so vieler Geschichten. Aber das Original hängt im Museum, weit weg zwischen vielen anderen Gemälden. Und aus der Distanz – 10 Meter oder Berlin – sieht ein Bild anders aus und offenbart mitunter neue Qualitäten. Hobbemas Version zeigt in der Nahsicht eine typisch akademische Landschaft. Blatt für Blatt für Blatt. Das kann man heute nicht mehr so machen. Wenn ich es also haben wollte, musste ich andere Wege finden.
Beim Malen verstehe ich das Material manchmal besser, von innen. Manchmal geht es auch schief, das ist ein dunkler Vorgang. Aber Wiederholung ist wichtig, der Mensch lernt ganz langsam.
Die Unterschiede in der Malweise – ob meine Pinselstriche mutig sind, oder organisch suchend, etwas abbilden oder versuchen, selbst etwas zu werden – kann jetzt jeder selbst sehen und vergleichen.
Man muss die hellen Momente festhalten. Deshalb werde ich das Bild noch sehr oft malen, denn jeder sollte einen Hobbema haben.

(2018)

Drei Jahre später nahm ich mir das holländische Gemälde erneut vor. Und sah, dass ich mich total geirrt hatte: Das Vorbild war überhaupt nicht perfekt. Die Linien der Bäume schnitten sich in einem unguten Winkel. Der eine dunkle Baum sollte wohl den helleren dahinter verdecken, das sah aber einfach falsch aus. Hatte ich auch damals nicht verstanden, ebenso den komischen Busch im Vordergrund. Überhaupt gab es zu viel unmotiviertes Gestrüpp. Die Figuren waren schlecht in den Bildgrund integriert. Und bei näherer Betrachtung machte die Anatomie der Wolkenballungen überhaupt keinen Sinn.
Also nochmal. Das Phänomen ist viel zu komplex, man muss sich ihm vereinfachend annähern, dabei immer entscheiden: Was ist wirklich wichtig? Und vielleicht verstehen: Warum findet man eigentlich etwas schön?

(2021)